Ein Präsident verschwindet

1954: Über Nacht verschwindet Verfassungsschutzpräsident Otto John – und taucht in Ost-Berlin wieder auf. Wurde er, wie er später behauptet, tatsächlich entführt – oder ist er als ehemaliger Angehöriger des Widerstands gegen Hitler zum «kommunistischen Feind» übergelaufen? Für die westdeutsche Regierung ist der «Fall John» ein einziges Ärgernis. Auf Wunsch von Konrad Adenauer übernimmt Philipp Gerber von der Sicherungsgruppe Bonn die Ermittlungen. Gerber hat dem Bundeskanzler schon einmal geholfen, diesmal treibt ihn aber vor allem ein persönliches Motiv. Seine Geliebte, die Journalistin Eva Herden, ist verschwunden, ein Foto zeigt sie an der Seite von Otto John. Als ein Barbesitzer aus dem Rotlichtmilieu ermordet wird, der viele Geheimnisse der Polit-Elite kannte, steht Eva unter doppeltem Verdacht: als Mörderin und kommunistische Agentin, die den Mann im Auftrag der Sowjets ausgeschaltet haben soll. Als Gerber sich in Berlin, der Frontstadt des Kalten Kriegs zwischen Ost und West, an die Fersen der Verschwundenen heftet, bekommt er es mit Walter Dorst zu tun. Einem Mann, der skrupellos tötet, wenn es sein Auftrag verlangt – und dem es offenbar egal ist, ob er im Sold der Nazis, der Fremdenlegion oder des russischen Geheimdiensts steht.

Immer klarer wird, dass Reinhard Gehlen eine der Schlüsselfiguren der «Affäre John» ist. Der ehemalige Generalmajor der Wehrmacht baut von Pullach bei München aus den westdeutschen Auslandsgeheimdienst auf – unter Protektion der Amerikaner. Für Adenauer ist die Einbeziehung von Alt-Nazis wie Hans Globke, dem Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, oder Gehlen eher ein funktionales als ein moralisches Problem: «Warum sollen se denn nicht dabei helfen, das alles wieder aufzubauen? Ist doch wohl ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit …»

An Gehlen kommt auch Philipp Gerber nicht vorbei. Seit man ihn für mehrere Tage im berüchtigten U-Boot, der zentralen Untersuchungshaftanstalt des NKWD in Hohenschönhausen, festgehalten und verhört hatte, ist ihm klar, dass er zwischen allen Stühlen sitzt. Dem amerikanischen Geheimdienst kann er nicht trauen, dem sowjetischen erst recht nicht. Trotzdem lässt Gerber sich darauf ein, Otto John aus der Ost-Berliner «Schutzhaft» zu befreien und mit ihm auch Eva Herdens Vater in den Westen zu bringen. Aber nicht alle Beteiligten werden die riskante Befreiungsaktion überleben …

PHILIPP GERBER

Philipp Gerber, Ende dreißig, ist 1939 mit seinen Eltern und Geschwistern in die USA emigriert. Im Krieg kehrt er als Angehöriger des amerikanischen Militärgeheimdienstes CIC nach Deutschland zurück. Eigentlich hat er eine Karriere als Juradozent in Harvard vor Augen, doch dann wird er Kriminalhauptkommissar beim BKA – und «Adenauers Mann».

EVA HERDEN

Eva Herden, in den Zwanzigern, hasst den Krieg, durch den sie ihre ganze Familie verloren hat. Deshalb ist sie gegen Adenauers Bestrebungen, die BRD aufzurüsten und an die Westmächte zu binden. Sie ist Journalistin beim kommunistischen Nachrichtenmagazin Brennpunkt Bonn.

1954 – Eine kleine Jahreschronik

  • Januar: In Memphis/USA singt der Lastwagenfahrer Elvis Aaron Presley gegen eine Gebühr von vier Dollar in einem Tonstudio zwei Lieder ein. Bald muss er fürs Singen nicht mehr bezahlen, sondern wird recht gut damit verdienen.
  • Februar: Bei den Beratungen im Deutschen Bundestag über einen Gesetzesvorschlag zur Gleichberechtigung von Mann und Frau sagt Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling: Er glaube kaum, dass irgendeine Frau und Mutter eine formale Gleichberechtigung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt wolle. Sie empfinde ja schon die Zunahme ihres Einflusses in der Familie als weitere Belastung.
  • März: Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden westeuropäischen Verteidigungsbündnisses erklärt die UdSSR ihre Bereitschaft, der NATO beizutreten. Voraussetzung wäre der Verzicht der Westeuropäer auf eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Die Westmächte lehnen den unerwünschten Bündnisgenossen ab, aber die EVG kommt auch nicht zustande.
  • April: In Mailand wird Giovanni Guareschi, Autor von Don Camillo und Peppone, wegen Verleumdung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er hatte das Faksimile eines Briefes aus dem Jahr 1944 veröffentlicht, in dem der italienische Ministerpräsident Alcide De Gasperi die Westalliierten gebeten haben soll, zur Beendigung des Krieges Rom zu bombardieren.
  • Mai: Noch vor der John-Affäre erschüttert die Russell-Affäre die junge BRD. Die Amtsgerichte München und Bonn untersagen den Verkauf der Münchner Illustrierten Nr. 22. Das Titelbild von Jane Russell sei «schwer jugendgefährdend». Die Chefredaktion mutmaßt, wahrer Grund für das Verkaufsverbot sei ein Artikel in derselben Ausgabe über die «Teure Hauptstadt Bonn».
  • Juni: Der Krieg geht für viele Deutsche weiter. Nach SPD-Angaben sind bei den aktuellen Kämpfen in Indochina 33.000 deutschsprachige Fremdenlegionäre gefallen oder verschollen.
  • Juli: «… Schäfer flankt nach innen, Kopfball abgewehrt, aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt, Tor, Tor, Tor, Tor, Tor für Deutschland ...» Die BRD wird beim Endspiel gegen Ungarn in Bern Fußballweltmeister – wir sind wieder wer!
  • August: Weltpremiere in New York für Alfred Hitchcocks neues Meisterwerk Das Fenster zum Hof mit James Stewart und Grace Kelly.
  • September: Gefechte zwischen Rotchina und dem von den USA unterstützten Nationalchina in der Straße von Formosa lassen die Kriegsgefahr im Fernen Osten wachsen.
  • Oktober: Staatsbesuch: Der deutsche Bundeskanzler reist in die USA. Adenauer und US-Präsident Eisenhower bekräftigen die Forderung nach einem «in Freiheit wiedervereinten Deutschland».
  • November: Jetzt weiß es das deutsche Volk genau – kein Thronfolger für den Schah von Persien in Sicht, wie die Zeitschrift Revue unmissverständlich titelt: «Soraya erwartet kein Kind».
  • Dezember: Alles muss seine Ordnung haben oder Frau sein gegen Bearbeitungsgebühr: Obwohl sich die Bundesregierung dafür erklärt hat, «im amtlichen Verkehr der unverheirateten Frau die Bezeichnung Frau zuzugestehen», spricht sich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages dafür aus, beim Umgang mit Behörden die Anrede «Fräulein» für unverheiratete Frauen beizubehalten. Ausnahmen: uneheliche Mütter und Adoptivmütter. Sie dürfen die Bezeichnung «Frau» in Anspruch nehmen, wenn sie vor der Polizei ihren Familienstand offenbaren und eine Bearbeitungsgebühr entrichten.

«Ein Präsident verschwindet» im Podcast sprenger spricht

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